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Hier erfahren Sie, wie der klassische Journalismus seinen Platz in der digitalen Welt finden will.
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Mehr und mehr Menschen beziehen ihre Nachrichten aus dem Internet, Presse und Rundfunk verlieren an Gewicht. Doch der klassische Journalismus versucht, seinen Platz in der digitalen Welt zu finden und damit die Seriosität des Contents zu sichern.

 

Traditionell fungieren unabhängige Medien wie Presse und Rundfunk als sogenannte vierte Macht im Staat. Neben Gesetzgebung, Verwaltung und Rechtsprechung kommt seriösem Journalismus demnach die Aufgabe zu, staatliche Abläufe (informell) zu kontrollieren und die Bevölkerung über die Ergebnisse dieser Kontrollen zu informieren. Lange Zeit hatten gedruckte Zeitungen, später ergänzt um Radio und Fernsehen, eine  Monopolstellung am Informationsmarkt inne. Und nicht nur das: „Was wir über unsere  Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien“, meinte der Soziologe Niklas  Luhmann.

Mit dem Siegeszug des Internets und dem Aufkommen von Social Media bröckelten allerdings die Privilegien althergebrachter Medien. So sehr, dass heute ernsthaft darüber diskutiert wird, ob der klassische Journalismus überhaupt noch eine Zukunft hat. Informationen lassen sich online auf unzählige Weise finden. Neben Webangeboten etablierter Medien gibt es völlig neue Formate wie soziale Netzwerke, fachspezifische Weblogs, Podcasts, Unternehmenswebsites und eine  schier unüberschaubare Menge von Plattformen aller Art. Vieles davon fällt unter den Begriff „Social  Media“.

Social Media gewinnt dazu

Soziale Medien werden mit dem Anspruch entwickelt, Menschen  miteinander  zu  vernetzen  und  den  sozialen  Austausch zu vereinfachen (siehe „Social Media – ein  Überblick“).  Seit  Jahren  findet  in  der  Gesellschaft  ein kontinuierlicher Wandel der Mediennutzung statt. In  immer  stärkerem  Ausmaß  tritt  das  Internet  an  die  Stelle klassischer Medien. Social Media spielt dabei eine gewichtige  Rolle.  Laut  der  aktuellen  Onlinebefragung  „Media  Server  3.0“,  die  im  Auftrag  österreichischer  Medien vom Verein Media Server durchgeführt wurde, betrug  der  Medienkonsum  der  Österreicherinnen  und  Österreicher  2021  durchschnittlich  522  Minuten  pro  Tag. Den mit Abstand größten Anteil daran haben Online-Medien (328 Minuten), wovon knapp 29 Prozent auf soziale Medien entfallen. Zum Vergleich: Print liegt bei mageren 40 Minuten, TV immerhin bei 199.

Immer  mehr  Menschen  nutzen  soziale  Medien  nicht  nur zur Kommunikation, sondern auch, um sich über Fachthemen  oder  das  Weltgeschehen  zu  informieren.  Klassische  Medien  verlieren  hierbei  zunehmend  den  Anschluss.  Das  ist  nicht  völlig  überraschend,  sind  die  Vorzüge der Online-News doch so zahlreich wie offenkundig:  Sie  sind  meist  hochaktuell,  stehen  rund  um  die Uhr zur Verfügung, und sie gestatten eine sofortige Reaktion der Konsumentin oder des Konsumenten via Kommentarfunktion.  Die  multimediale  Kombination  aus  Text,  Bild,  Ton  und  Video  ermöglicht  zudem  Inhalte,  die  kein  anderes  Medium  bieten  kann.  Für  die  Nutzung wird schließlich nur ein einziges Gerät benötigt – Computer, Smartphone oder Tablet.

Die "New York Times", eine der wichtigsten Qualitätszeitungen weltweit, verfolgt eine multimediale Geschäftsstrategie.

Spardruck als Damoklesschwert

Der schleichende Wandel – weg von klassischen Medien, hin zu digitalen – lässt sich zunächst als schlichte Konsequenz eines  Wettbewerbs deuten, so wie seinerzeit das Automobil die Pferdekutsche abgelöst hat. Das ist nicht falsch, erzählt aber nur den ökonomischen Teil der Geschichte. Medien finanzieren sich wesentlich durch Werbung. Verliert eine Zeitung Leserinnen und Leser beziehungsweise der Rundfunk Teile seines Publikums, wird die Bereitschaft von Werbekunden, in diesem Medium weiterhin zu inserieren, rasch sinken. Das setzt einen Teufelskreis in Gang: Mit sinkenden Einnahmen steigt der Spardruck. Erste Opfer sind in der Regel die Redaktionen, die Grafik, das Lektorat. Daraus resultiert stets ein Qualitätsverlust, der die Attraktivität des Mediums für Werbekunden noch weiter reduziert.

Neben wirtschaftlichen Aspekten gibt es noch einen weiteren Punkt zu berücksichtigen: Medien gelten, zumindest wenn sie unabhängig sind, als Säule moderner Demokratien. Es bestehen berechtigte Zweifel, ob Social  Media diese Aufgabe im notwendigen Ausmaß übernehmen können. Das liegt an ihrem vielleicht wesentlichsten Merkmal:  Jeder  Mensch kann hier Information produzieren, die  Eintrittshürde ist minimal. Um einen Blog zu erstellen, braucht man nur einen  Computer mit Internetanschluss, für einen Podcast wird nicht mehr als ein Mikrofon benötigt. Um soziale Netzwerke wie TikTok,  Twitter oder Instagram zu nutzen, muss man lediglich mit ein paar Klicks einen Account anlegen. An die Stelle professionell aufbereiteter Information tritt „user-generated content“, also von Nutzerinnen und Nutzern selbst erstellte Inhalte.

Dies kann allerdings geschmacklosen, moralisch fragwürdigen oder sogar illegalen Content umfassen. Selbst erstellte Inhalte  brauchen sich keiner Instanz  gegenüber zu rechtfertigen, entscheidend ist nur die in Zugriffszahlen gemessene Reichweite. In  sozialen Medien gibt es keine unabhängige Stelle, die Content auf seinen Wahrheitsgehalt prüft oder Userinnen und User auf ihre  Redlichkeit. Seriöser Journalismus hat demgegenüber den bedingungslosen Anspruch, die Wahrheit zu vermitteln. Bescheidener  formuliert: zu sagen, was ist. Das ist sein Berufsethos. Dafür werden Zeit und Mühe aufgewendet – durch Recherche, Hintergrundinterviews, Quellenlektüre sowie etliche andere Methoden versuchen Journalistinnen und Journalisten, Irrtümer und Fehler so weit wie möglich auszuschließen. Die Kardinaltugenden des Journalismus lassen sich in dem viel zitierten Slogan „Check, Re-Check, Double-Check“ zusammenfassen. Die Nutzung von Google ersetzt diese bewährte Methodik nicht (auch wenn heute praktisch jede Journalistin und jeder Journalist mit einer raschen Google-Recherche in ein neues Thema einsteigt).

Journalismus als Instrument

Soziale Medien haben im Wettbewerb um die Aufmerksamkeit des Publikums das deutlich bessere Blatt in der Hand. Sie sind die  idealen Habitate des Kurzlebigen, Peppigen, Spektakulären, das dem Verblüffen nähersteht als dem Informieren. Wie ORF-Moderator Armin Wolf vor einigen Jahren in einem Vortrag bei den Medientagen München nüchtern bemerkte: „Eine Geschichte mit dem Titel ‚17 Fehler, die du beim ersten Date machen wirst‘ wird es auf Facebook immer leichter haben als ‚17 falsche Vorurteile über CETA‘.“ Dennoch sind auch in der schnelllebigen Welt der sozialen Medien journalistische Tugenden nicht zwangsläufig obsolet.  Das zeigt etwa der sogenannte Bürger-Journalismus. Dabei nutzen engagierte Bürgerinnen und Bürger Neue Medien, um in meist hoher Qualität zu informieren oder auch am gesellschaftlichen Diskurs teilzunehmen.

Das scheint einer Forderung Armin Wolfs zu  entsprechen: „Wir  müssen Social Media mit Journalismus infiltrieren“, schreibt er in seinem Blog. In der politischen Monatszeitschrift „Blätter“ plädierte er dafür, „dass wir Social Media nicht den Propagandisten, Fake-News-Produzenten und Troll-Fabriken überlassen“. Und in einem aktuellen Beitrag für das Magazin „profil“ fordert er: „Fluten wir die Wutmaschinen mit Journalismus“. Wolf weiß, wovon er spricht, ist er doch selbst höchst aktiv auf Social Media. Mit 568.000 Followern ist er der mit  Abstand reichweitenstärkste österreichische Journalist auf  Twitter (gefolgt von „Falter“-Chefredakteur Florian Klenk mit gut 337.000 und  ORF-Radiodirektorin Ingrid Thurnher mit über 221.000 Followern).

Auch auf Facebook führt Wolf das nationale Journalisten-Ranking an; hier folgen ihm 308.000 Personen. So wie Wolf sind heute viele Journalistinnen und Journalisten in sozialen Netzwerken aktiv.  Dadurch ändert sich auch ihr berufliches Selbstverständnis. Sie werden verstärkt als Individuen wahrgenommen und artikulieren ihre persönlichen Einstellungen. In der Medientheorie spricht man hierbei von einem Übergang des Interpretationsjournalismus zum Meinungsjournalismus. Ein Grundsatz bleibt aber bestehen: Medienkonsumentinnen und Medienkonsumenten müssen stets auf die Redlichkeit, Gründlichkeit und den Wahrheitsanspruch eines Medienproduzenten vertrauen können. Denn  nicht  jede  Information  lässt sich von Einzelnen überprüfen. Unter anderem dafür gibt es Medien ja.

Social Media - Ein Überblick

Socia Media („soziale Medien“) ist der Überbegriff für Online-Dienste, Apps oder Internet-Plattformen, die es ihren Nutzerinnen und Nutzern erlauben, sich miteinander zu vernetzen. Je nach Funktionsumfang des jeweiligen Mediums können Textnachrichten geschrieben, Multimediadateien übertragen, Videokonferenzen durchgeführt oder gemeinsame Projekte bearbeitet werden.

Zu Social Media zählen soziale Netzwerke im engeren Sinn, wie zum Beispiel Facebook und Instagram (beide Plattformen gehören  zum US-Riesen „Meta“ von Mark Zuckerberg) sowie Twitter oder das chinesische Videoportal TikTok. Weiters gehören dazu Instant-Messaging-Dienste wie Snapchat, Signal oder WhatsApp sowie Software, mit der sich Blogs erstellen lassen (Content-Management-Systeme). Die Grenze zwischen Social Media und anderen Internet-Technologien ist oft fließend. Der grundlegende Gedanke ist stets, dass Nutzerinnen und Nutzer nicht nur passiv rezipieren, sondern aktiv Inhalte produzieren („user-generated  content“). Ein typisches Merkmal von Social Media ist deshalb, dass Nutzerinnen und Nutzer Accounts anlegen, die selbst gewählte  Benutzernamen, Profilbilder und kursorische Informationen über die Person enthalten.

Laut dem Datendienst DataReportal verwenden aktuell 4,7 Milliarden Menschen soziale Medien. Populäre Nutzerinnen und Nutzer  prägen aufgrund ihrer Reichweite sogar öffentliche Debatten mit. So ließ sich die ehemalige deutsche Bundeskanzlerin Angela  Merkel 2015 vom YouTuber LeFloid auf dessen Kanal interviewen (siehe Bild) – eine Premiere.