Spardruck als Damoklesschwert
Der schleichende Wandel – weg von klassischen Medien, hin zu digitalen – lässt sich zunächst als schlichte Konsequenz eines Wettbewerbs deuten, so wie seinerzeit das Automobil die Pferdekutsche abgelöst hat. Das ist nicht falsch, erzählt aber nur den ökonomischen Teil der Geschichte. Medien finanzieren sich wesentlich durch Werbung. Verliert eine Zeitung Leserinnen und Leser beziehungsweise der Rundfunk Teile seines Publikums, wird die Bereitschaft von Werbekunden, in diesem Medium weiterhin zu inserieren, rasch sinken. Das setzt einen Teufelskreis in Gang: Mit sinkenden Einnahmen steigt der Spardruck. Erste Opfer sind in der Regel die Redaktionen, die Grafik, das Lektorat. Daraus resultiert stets ein Qualitätsverlust, der die Attraktivität des Mediums für Werbekunden noch weiter reduziert.
Neben wirtschaftlichen Aspekten gibt es noch einen weiteren Punkt zu berücksichtigen: Medien gelten, zumindest wenn sie unabhängig sind, als Säule moderner Demokratien. Es bestehen berechtigte Zweifel, ob Social Media diese Aufgabe im notwendigen Ausmaß übernehmen können. Das liegt an ihrem vielleicht wesentlichsten Merkmal: Jeder Mensch kann hier Information produzieren, die Eintrittshürde ist minimal. Um einen Blog zu erstellen, braucht man nur einen Computer mit Internetanschluss, für einen Podcast wird nicht mehr als ein Mikrofon benötigt. Um soziale Netzwerke wie TikTok, Twitter oder Instagram zu nutzen, muss man lediglich mit ein paar Klicks einen Account anlegen. An die Stelle professionell aufbereiteter Information tritt „user-generated content“, also von Nutzerinnen und Nutzern selbst erstellte Inhalte.
Dies kann allerdings geschmacklosen, moralisch fragwürdigen oder sogar illegalen Content umfassen. Selbst erstellte Inhalte brauchen sich keiner Instanz gegenüber zu rechtfertigen, entscheidend ist nur die in Zugriffszahlen gemessene Reichweite. In sozialen Medien gibt es keine unabhängige Stelle, die Content auf seinen Wahrheitsgehalt prüft oder Userinnen und User auf ihre Redlichkeit. Seriöser Journalismus hat demgegenüber den bedingungslosen Anspruch, die Wahrheit zu vermitteln. Bescheidener formuliert: zu sagen, was ist. Das ist sein Berufsethos. Dafür werden Zeit und Mühe aufgewendet – durch Recherche, Hintergrundinterviews, Quellenlektüre sowie etliche andere Methoden versuchen Journalistinnen und Journalisten, Irrtümer und Fehler so weit wie möglich auszuschließen. Die Kardinaltugenden des Journalismus lassen sich in dem viel zitierten Slogan „Check, Re-Check, Double-Check“ zusammenfassen. Die Nutzung von Google ersetzt diese bewährte Methodik nicht (auch wenn heute praktisch jede Journalistin und jeder Journalist mit einer raschen Google-Recherche in ein neues Thema einsteigt).